FUSSBALL, RASSISMUS & GEWALT IM DIGITALEN RAUM
In wenigen Monaten ist es soweit: Die Fußballwelt schaut auf Deutschland. Wie schon zum „Sommermärchen“ 2006 ist im kommenden Jahr erneut die Spitze des europäischen Männerfußballs „zu Gast bei Freunden.“ Der europäische Fußballverband UEFA wirbt mit dem Slogan „United by football. Vereint im Herzen Europas“. Wie freundschaftlich und vereint es während des Turniers tatsächlich zugehen wird, bleibt abzuwarten, denn auch heute ist der Fußball immer noch ein Ort, an dem Gewalt und Menschenfeindlichkeit omnipräsent sind. Ob in den Fankurven der Profiligen oder den Sportplätzen der Amateur*innen, diskriminierende Äußerungen und Handlungen sind allgegenwärtig. Sie finden sich aber nicht nur in der analogen Welt, sondern übertragen sich auch in den digitalen Raum. Letzteres wird insbesondere durch Kanäle wie „GruppaOF“ deutlich, weshalb dieser Account auf dem Messengerdienst Telegram hier genauer beleuchtet werden soll.
„Mein Sohn wird sein Leben lang die Juden hassen“
Im November 2022 kam es in Berlin bei einem A-Jugendspiel zwischen Hertha 06 und dem TuS Makkabi zu Ausschreitungen und antisemitischen Ausfällen. Als Konsequenz wurden zwei Jugendspieler für einen Zeitraum von zwei Jahren gesperrt, darunter der Sohn des Vizepräsidenten von Hertha 06, Ergün Cakir. Dieser äußerte sich im Rahmen einer „Sport inside“-Reportage „Judenhass auf Deutschlands Sportplätzen“ vom 27. Januar 2023 antisemitisch und erklärte, dass sein Sohn „die Juden in seinem kompletten Leben hassen“ werde. Für die Äußerung wurde Cakir durch das Rechtsorgan des Berliner Fußball Verbandes vom 01.06.2023 an für zwei Jahre gesperrt.
„Stoppt LGBTQ Propaganda! Im Gästeblock sieht man das Ergebnis“
Während des Derbys im März 2023 gegen Erzgebirge Aue wurden im Fanblock von Dynamo Dresden mehrere queerfeindliche und beleidigende Banner gezeigt. Auf einem Spruchband war zu lesen: „Stoppt LGBTQ Propaganda! Im Gästeblock sieht man das Ergebnis“
. Zusätzlich soll es auch zu homofeindlichen Fangesängen gegen die Aue-Fans gekommen sein. Dynamo Dresden entschuldigte sich bei der LQBTQ- Gemeinde und prüfe, inwieweit man gegen die beteiligten Zuschauer*innen vorgehen könne. Zudem betonte der Verein seine Unterstützung des Fanprojektes in der Arbeit gegen Homophobie und sexualisierte Gewalt.
„Wenn wir gewinnen, sind wir alle Deutsche. Und wenn wir verlieren, kommen diese Affen-Kommentare.“
Nach ihren verschossenen Elfmetern zum Auftakt der U21-EM im Juni 2023, sind die deutschen Nationalspieler Youssoufa Moukoko und Jessic Ngankam in den sozialen Medien massiv rassistisch beleidigt worden. Im Anschluss an das Unentschieden gegen Israel wurden von mehreren Usern Affen-Emojis unter Bilder von Moukoko und seinem Teamkollegen Ngankam gepostet. „Wenn wir gewinnen, sind wir alle Deutsche. Wenn wir verlieren, kommen diese Affen-Kommentare.“ sagte Moukoko zu den rassistischen Anfeindungen im Netz. Der DFB kündigte eine strafrechtliche Verfolgung der Verfasser*innen der Posts an.
Fußball in Deutschland: Spiegelbild oder Brennglas?
Fußball ist der populärste Sport Deutschlands. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an den Mitgliederzahlen, so ist der Deutsche Fußball-Bund e.V. mit fast 7,4 Millionen Mitgliedern der mitgliederstärkste deutsche Sportverband. Mehr als 24.000 Vereine gehören ihm an und tragen im Jahr mehr als 1,3 Millionen Spiele aus (vgl. DFB 2023). Neben den aktiven Spieler*innen, besuchten darüber hinaus in der Spielzeit 2022/2023 mehr als 23 Millionen Zuschauer*innen die Stadien der ersten und zweiten Bundesliga sowie der 3. Liga. Diese Zahlen zeigen den ungemeinen Stellenwert und eine nach wie vor große Begeisterung in der deutschen Gesellschaft. Es ist nicht verwunderlich, dass in einer Organisation wie dem DFB bzw. einer Sportart wie dem Fußball, die Wochenende für Wochenende Millionen Menschen zusammenbringt, auch soziale Spannungen und politische Themen verhandelt werden.
Der Fußball spiegelt Werte, Konflikte und Veränderungen wider, die in einer Gesellschaft stattfinden. Insofern kann er als Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen fungieren. Nicht selten wird angemerkt, der Fußball zeige die sozialen, politischen und kulturellen Strömungen, die in einer Gesellschaft existieren – Fußball sei somit als Spiegelbild der Gesellschaft zu verstehen. Kritiker*innen widersprechen dieser Annahme vehement: Fußball sei kein Spiegelbild, sondern vielmehr ein Brennglas (u.a. Blaschke 2014, Gerczikow 2023, Pilz 2021). „Damit ist gemeint, dass sich im Stadion, auf den Fußballplätzen von Amateur*innenvereinen, in der Eckkneipe, beim Public Viewing und auf Social Media soziale Prozesse und Phänomene in intensivierter Form beobachten lassen, die auch in der Gesamtgesellschaft existieren“ (MeDiF 2023:14). Es überrascht insofern nicht, dass in einer Gesellschaft mit Exklusions- und Diskriminierungstendenzen jene Mechanismen auch im Stadion oder dem Sportplatz sichtbar werden und Wirkung entfalten. Neu sind diese Beobachtungen bisweilen nicht, schon 1992 gründete sich die Schalker Fan-Initiative, die sich seit jeher gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und Diskriminierung jeglicher Art engagiert. Bereits vor mehr als 20 Jahren thematisierten Gerd Dembowski und Jürgen Scheidle das Problem in ihrem Buch „Tatort Stadion. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus im Fußball“ (2002). Zwar ist durch die Förderung progressiver Fans sowie den Ausbau sozialpädagogischer Angebote und politischer Bildung (z.B. in Form von Gedenkstättenfahrten) durchaus eine positive Entwicklung innerhalb der Fanszenen zu erkennen. Was fehlt, sind jedoch evidenzbasierte Daten, aus denen sich heraus konkrete Handlungsoptionen für die Vereine und Verbände ableiten lassen. Der Sozialpsychologe Andreas Zick bestätigt einen Mangel in der Erforschung rassistischer Tendenzen und verweist dabei auf den Interessenkonflikt der Verbände, Diskriminierungen einerseits systematisch zu analysieren, andererseits ihr Produkt – also den Fußball – nicht zu beschädigen (vgl. Zick 2023).
Ein Vorstoß in diese Leerstelle ist das Projekt der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW (MeDiF-NRW) unter Trägerschaft der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte in Nordrhein- Westfalen. Ziel der Meldestelle ist es, die „Wissenslücke im Spannungsverhältnis von Gesellschaft, Fußball und Kultur“ (vgl. MeDiF 2023:14) zu schließen, Handlungsoptionen für Vereine und Verbände aufzuzeigen und somit langfristig zu einer Fußballkultur ohne Diskriminierung beizutragen. Die Meldestelle dokumentiert seit dem 01. Juli 2022 Verfehlungen im Zusammenhang von Fußballspielen in Nordrhein-Westfalen, unabhängig davon, ob die Diskriminierung digital z.B. als Kommentar oder analog z.B. in Form eines Fangesangs geäußert wird. Die erhobenen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bis zum 01. Oktober 2023 registrierte die Meldestelle 1083 Vorfälle, wobei jene Dokumentation lediglich das Hellfeld abbildet. Es ist anzunehmen, dass das Problem also weitaus größer ist und die Anzahl der eingegangenen Meldungen nur ein Bruchteil tatsächlicher stattfindener Diskriminierung darstellen. Auffällig ist dabei, dass fast die Hälfte der registrierten Meldungen (428) aus dem Online-Bereich stammt. Gemeint sind damit beleidigende Facebook-Kommentare, diskriminierende Spruchbänder auf Instagram oder die Verherrlichung des Nationalsozialismus in Form von Stickern auf Telegram.
GruppaOF Official ℌ – Katalysator abseits der Kurve?
Ein Kanal, der sich vor allem auf Aktivitäten abseits des Spielfelds fokussiert, ist der Account „GruppaOF Official ℌ“ auf Telegram. Die anonym agierenden Betreiber beschreiben ihren Kanal als „#1 ℌooligan info group in the world“ , der Q-Block Mainz nennt die Plattform einen „Ergebnisdienst für Acker- und Straßenschlägereien“ (Q-Block:19). Der starke Fokus auf gewalttätige Auseinandersetzungen rivalisierender Fangruppen ist kein neues Phänomen. Schon in der Vergangenheit weckten Schlägereien und andere Aktivitäten abseits des Spielfelds wie Choreografien und Pyroshows großes Interesse. Waren es in den 80er und 90er Jahren vor allem Magazine wie der Fantreff, die sich großer Beliebtheit in den Kurven Deutschlands erfreuten, verlagerten sich die Erlebnis- und Spielberichte mit der Jahrtausendwende zunehmend ins Internet. Das Web 2.0. ermöglichte durch Foren wie Network Ultra zu Beginn der 2000er Jahre oder dem später verbreiteten Ultras.ws zudem eine Vernetzung sowie eine niedrigschwellige Teilnahme an Diskussionen. Insofern kann GruppaOF als an den Zeitgeist und die digitalen Entwicklungen angepasstes Medium verstanden werden, das andere Formate mehr und mehr ablöste. Heute erreichen die Betreiber plattformübergreifend (Facebook, Instagram und Telegram) Abonennt*innenzahlen in einer Höhe von bis zu 150.000 Personen. Die Gruppe agiert zwar global, legt ihren regionalen Schwerpunkt jedoch auf Inhalte aus dem europäischen Raum, auch wenn vereinzelt gewalttätige Auseinandersetzungen aus Südamerika oder dem nordafrikanischen Raum gezeigt werden. In den Beiträgen dominieren vor allem Bilder von Choreografien und Pyroshows sowie Videos von körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Fans im öffentlichen Raum.
Fußball ist Fußball und Politik bleibt Politik?
Das bloße Teilen von Choreografien oder Pyroshows erscheint zunächst unproblematisch. Die Kanäle von GruppaOF sind jedoch weit mehr als ein normales Szenemedium. Sie haben sich zu einem Ort entwickelt, in dem Gewalt, Hass und Menschenfeindlichkeit wie unter einer Lupe potenziert werden. Dass dies vermutlich kein Zufall ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Schon 2018 trat GruppaOF als Unterstützer des „Kampf der Nibelungen“ auf, eines extrem rechten Kampfsportevents. Ihr Logo war dort neben bekannten Modemarken aus dem Neonazi-Spektrum platziert. In einer kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde die Gefahr durch rechtsextreme und verschwörungsideologische Instrumentalisierung der Anti-Corona-Politik-Demonstrationen in Leipzig im November 2020 thematisiert. In diesem Zusammenhang wurde auch gefragt, welche Rolle GruppaOF bei der Mobilisierung zur Demo und in der rechtsextremen Szene inne hatte. Die Bundesregierung schreibt dazu: „Bei der Hooligan-Plattform GruppaOF handelt es sich um eine Plattform, die von Nutzern insbesondere zur martialischen Selbstinszenierung durch die Darstellung von Hooligangewalt, überwiegend solcher ohne politischen Bezug, genutzt wird“ (Deutscher Bundestag 2021:7). Die Gruppe selbst propagiert sich heute als vermeintlich politikfreien Raum. Am 07. Oktober 2023 posten die Betreiber dazu ein Statement: „GruppaOF against politics. Message for politics, moment ban. p.s. GruppaOF for only hooligans and ultras. “ Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt unklar. In einem Kommentar unter dem Beitrag wird den Betreibern vorgeworfen, durch die Verbannung politischer Inhalte „System = Antifasupporter“ zu sein. Das Gegenteil ist der Fall, denn mit der Trennung von Politik und Fußball bedienen die Betreiber vielmehr ein rechtes Narrativ, das Sport isoliert und losgelöst von gesellschaftlicher Einbettung betrachtet. Fußball wurde jedoch schon immer politisch instrumentalisiert. Diese scheinbare Trennung von Sport und Politik zielt daher in erster Linie darauf ab, gegen progressive Bewegungen und Antidiskriminierung im Stadion vorzugehen, nicht selten mit dem Vorwurf, die Akteur*innen würden den Fußball für ihre ideologische Agenda missbrauchen. Ein Blick in die Kommentarspalten von GruppaOF zeigt, welches Verständnis die Betreiber von einem politikfreien Raum haben. Dort finden sich unzählige Stickerpakete mit Namen wie „Anti-Antifa“ , „Shitskin“ , „Zyklon Zoomer Pack“ oder „Fascists Friends“ . In der Gruppenbeschreibung sind Verweise auf ähnliche Kanäle zu finden. Dort sind u.a. „Ultras Not Reds“ sowie „Ukraine Front ⚡⚡“ gelistet. Dies lässt zumindest Zweifel an der Gruppe als politikfreien Raum.
Siehe auch: Claus, Robert et. al (2015): Zurück am Tatort Stadion. Diskriminierung und Anti-Diskriminierung in Fußball-Fankulturen. Göttingen: Die Werkstatt & Blaschke, Ronny (2016): Gesellschaftsspielchen. Fußball zwischen Hilfsbereitschaft und Heuchelei. Göttingen: Die Werkstatt
„This comment section is every time a meeting point for Intelligence denial. I regret it every time.“
Während die Beiträge in der Regel unproblematisch sind, finden sich vor allem in den Kommentarspalten Beleidigungen und Hass. In Bezug auf die in den Kommentaren verbreiteten Ideologien der Ungleichwertigkeit sind deutliche Muster zu erkennen. Dabei dominieren vor allem drei Diskriminierungs-formen: Queerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Nicht selten werden diese Phänomene auch mit Verschwörungserzählungen kombiniert. Ein Post vom 24. August 2023 unter einem Foto von Eintracht Frankfurt Fans zeigt dies sehr deutlich: „Deutschland ist leider verloren….verschwult, vermoslemt und vergendert… Antifa Fotzen so weit das Auge reicht. 🤮 und die Kollaborateure sitzen noch immer an der Spitze“ . Kommentare wie dieser sind keine Ausnahme, sie finden sich hundertfach unter den Bildern. Dabei lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen, welche Beleidigungen welchen Verein in besonderem Maße treffen.
Eine wiederkehrende Form der Diskriminierung ist die Abwertung queerer Menschen. Betroffen sind in der Regel Vereine, deren Fanszenen sich als progressiv und antirassistisch verstehen. Am 24. Juni 2023 veröffentlichen die Betreiber des Kanals ein Video vom Christopher Speed Day in München, an dem auch Queerpass Bayern, der erste queere Bayern München Fanclub, teilnimmt. Untertitelt ist das Video mit „Queerpass Bayern Munich is also present on CSD parade in Munich 🤮🤮“ . Das Video bekommt 1,5k Dislikes und 225 Likes, die 198 Kommentare bestehen zum Großteil aus Beleidigungen (Stand: 17.10.2023).
Eine zentrale Komponente in den Kommentaren sind auch rassistische Äußerungen. Sie sind vor allem unter Beiträgen zu migrantisch geprägten Fanszenen zu finden und äußern sich häufig in Form von antimuslimischem Rassismus. Sie finden sich jedoch auch unvermittelt unter Beiträgen deutscher Szenen, die weder regionalen noch personellen Bezug zum Islam haben in Form von Verschwörungserzählungen eines „Bevölkerungsaustausches“ . Nutzer*innen, die diesem Narrativ widersprechen und die Potenziale einer vielfältigen Gesellschaft betonen, wird nicht selten „Verrat am eigenen Volk“ vorgeworfen und ihre „Männlichkeit“ in Frage gestellt, da sie ihre Heimat nicht verteidigen würden. Insofern lässt sich auch hier eine Verschränkung verschiedener Diskriminierungsformen feststellen.
Ein Verein, dessen Beiträge in besonderem Maße von antisemitischer Hetze betroffen sind, ist Ajax Amsterdam. Erklärungsversuche sind vor allem in der jüdischen (Pseudo-) Identität des Vereins zu erkennen, dessen Fans sich selbst als Antwort auf antisemitische Äußerungen in den 80er Jahren als „Super-Jews“ bezeichnen (vgl. Spiegel 2013). Auffällig, aber wenig verwunderlich ist außerdem, dass bei nahezu allen Beiträgen von israelischen Vereinen antisemitische Kommentare dominieren. Zu finden sind dort vor allem Sticker mit nationalsozialistischen Symbolen und Codes sowie das Happy-Merchant-Meme in verschiedenen Formen, versehen mit weiteren abwertenden Zuschreibungen.
Die auf GruppaOF verbreiteten Informationen lassen sich nur selten verifizieren. Der Kanal profitiert im Wesentlichen von Spekulationen und Halbwahrheiten, die ihre Gruppenmitglieder in den Kommentarspalten austragen. Der Account lebt von der Diskussion über kurze Videosequenzen. Die Betreiber verbreiten aber auch ganz gezielt Desinformationen. Am 02. September 2023 kam es am Rande einer Eritrea-Veranstaltung in der israelischen Stadt Tel Aviv zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der eritreischen Regierung, bei der mehr als 150 Personen verletzt wurden (vgl. Spiegel 2023). Die Inhaber des Accounts verbreiteten daraufhin ein Video der gewalttätigen Aktion und schrieben dazu: „02.09.2023 Israel 5th league. Both clubs are African immigrants clubs. Black Lions (left) vs Hapoel Shapira (Antifa + immigrants, left). Info Black lions: We scheduled 50vs50, 5 minutes hard street fight. 7 people injured from their side, 2 are in critical injuries. “ Mit einer bewusst falschen Kontextualisierung befeuern sie hier rassistische Narrative.
„Insta Clowns and Nazis attack Ultrasculture. Short fight – win Ultras – Fuck GruppaOF“
Auch wenn der Account und die Anzahl der Abonnent*innen stetig anwachsen, bedeutet dies jedoch nicht, dass diese Entwicklung völlig kritikfrei vonstattengeht. Vor allem die Ultra-Gruppen versuchen der „Instagramisierung“ ihrer Bewegung und damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen etwas entgegenzusetzen. Bereits 2018 machten die Fans des FSV Mainz 05 in ihrem Kurvenflyer in der Rubrik „Qritisch“ auf die Verbindungen zwischen GruppaOF und der organisierten Nazi-Szene aufmerksam. „Jeder Follower, jedes Like und jeder einzelne gottverdammte Klick erhöht die Reichweite der Seite. Ihr unterstützt damit die extreme Rechte!“ (Q-Block:19). Sie forderten alle Fußballfans auf, die Seite zu boykottieren. Ultras von Schalke 04 thematisierten in ihrem Spieltagsflyer „Blauer Brief“ vor allem die Gefahren für junge Fußballfans, die durch Accounts wie GruppaOF entstehen. Sie verweisen auf antisemitische Kommentare und machen deutlich, „dass ein solches Gedankengut auf Schalke und auch sonst in der Gesellschaft keinen Platz hat. “ Auch wenn diese Botschaften tendenziell eher aus einer subkulturell-dogmatischen Motivation erfolgen, sind sie in ihrer Deutlichkeit sehr wichtig, denn in der Vergangenheit war die Fussballszene immer wieder auch ein Agitationsfeld für Akteur*innen der extremen Rechten.
Flagge zeigen – auch digital!
Was also tun gegen diskriminierende Äußerungen und rassistische Hetze in den Kommentarspalten bei GruppaOF? Initiativen und Projekte aus den Bereichen Hatespeech und Digitale Gewalt mahnen an, wie wichtig es ist, auch online Zivilcourage zu zeigen. Sie warnen vor der Gefahr, dass sich Betroffene aus Angst vor weiteren Angriffen aus digitalen Debatten zurückziehen („Silencing Effekt“). Dadurch kann ein mitunter verzerrtes Meinungsbild entstehen, welches für demokratische Diskurse gefährlich werden kann. Aufgrund der aufgeführten Nähe zur rechten Szene ist eine Moderation der Inhalte durch die Betreiber selbst nicht zu erwarten. Ein erster Schritt ist daher, beleidigende und diskriminierende Inhalte über die jeweilige Plattform zu melden. Die Anonymität der User erschwert eine Sperrung, nicht selten tauchen auch ähnliche Inhalte unter einem anderen Account wieder auf. Was bei GruppaOF zu beobachten ist, trifft auch auf andere Online-Bereiche zu: Nur sehr wenige User*innen sind für eine Vielzahl von Hasskommentaren verantwortlich (vgl. Institute for Strategic Dialogue 2018). Um diesem manipulierten Meinungsbild etwas entgegenzusetzen, sind alle stillen Mitleser*innen dazu ermutigt, Gegenrede zu betreiben. Es gilt die erfolgreichen Selbstregulierungsprozesse der Bewegung in den digitalen Raum zu übertragen. Gemeint ist damit die weitesgehend erfolgreiche Vertreibung aktiver Nazi-Hooligans aus den Fankurven. GruppaOF bietet vielen „Verstoßenen“ nun eine alternative Plattform, ihr menschenverachtendes Gedankengut dort zu verbreiten. Alle Fans sind dazu angehalten sich abzugrenzen und deutlich zu machen, das diese Akteure und vermeintliche „Experten“ nicht das Sprachrohr und Repräsentant einer gesamten Szene sind. Durch seine enorme Popularität und Reichweite hat der Fußball die Möglichkeit, positive Entwicklungen und Veränderungen in Gang zu setzen. Die Liberalisierung der Gesellschaft spiegelt sich auch in ihm wider. Gleichzeitig formen sich Netzwerke und Kommunikationsplattformen, in denen sich problematische Äußerungen zuspitzen und Akteure gegenseitig verstärken. Neben einer Sensibilisierung durch Vereine und Verbände bedarf es also zusätzlich auch ein Bewusstsein in den Fanszenen – ein Plädoyer für die Erfassung diskriminierender Vorfälle, den Ausbau pädagogischer Angebote und die Stärkung progressiver Fans.
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Literatur
Blaschke, Ronny (2014): Fussball und Diskriminierung. Brennglas gesellschaftlicher Ressentiments.
https://www.deutschlandfunk.de/fussball-und-diskriminierung-brennglas-gesellschaftlicher-100.html
Deutscher Bundestag (2021): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Monika Lazar, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gefahr durch rechtsextreme und verschwörungsideologische Instrumentalisierung der Anti-Corona-Politik-Demonstrationen.
https://dserver.bundestag.de/btd/19/259/1925993.pdf
Deutscher Fußball-Bund e.V. (2023): DFB-Mitgliederstatistik 2022/2023
https://www.dfb.de/verbandsstruktur/mitglieder/aktuelle-statistik/?limit=all
Dembowski, Gerd / Scheidle, Jürgen (2002): Tatort Stadion. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus im Fußball. Köln: PapyRossa.
Gerczikow, Ruben (2023): Antisemitismus in der Berliner Bezirksliga. Der Fußballplatz ist ein Brennglas der Gesellschaft.
https://www.tagesspiegel.de/sport/antisemitismus-in-der-berliner-bezirksliga-der-fussballplatz-ist-ein-brennglas-der-gesellschaft-9282756.html
Institute for Strategic Dialogue (2018): Hass auf Knopfdruck. Rechtsextreme Trollfabriken und das Ökosystem koordinierter Hasskampagnen im Netz.
https://www.isdglobal.org/wp- content/uploads/2018/07/ISD_Ich_Bin_Hier_2.pdf
Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW – MeDiF-NRW (2023): 1. Jahresbericht. Gemeinsam für eine (Fußball-) Kultur ohne Diskrimnierung.
https://medif-live-3ea546b02c45431cac41ef3ac76a-8d3af3c.divio-media.com/filer_public/d9/8b/d98b2ed1-9844-4f29-adb0-9d40e60a4e91/medif-jahrebericht-2022-v17.pdf
Pilz, Gunter A. (2021): Fußball ist Brennglas für wachsenden Antisemitismus.
https://www.evangelisch.de/inhalte/184418/31-03-2021/soziologe-pilz-fussball-ist-brennglas-fuer-wachsenden-antisemitismus
Q-Block (2018): Qritisch
http://q-block.de/wp-content/uploads/2018/11/bb_1819_05bayern_online.pdf
Spiegel (2013): Fans von Tottenham und Ajax. Denn sie wissen nicht, was sie singen.
https://www.spiegel.de/sport/fussball/juedische-identitaet-bei-tottenham-hotspur-und-ajax-amsterdam-a-925333.html
Spiegel (2023): Zusammenstöße in Israel. Mehr als 150 Verletzte bei Protesten gegen Eritrea-Veranstaltung.
https://www.spiegel.de/ausland/israel-mehr-als-150-verletzte-bei-proteste-gegen-eritrea-veranstaltung-in-tel-aviv-a-143cede9-1ea8-453a-ab0c-5aa75db0b192
Zick, Andreas (2023): Rassismus muss ins Hellfeld. Im Interview mit Deutschlandfunk.
https://www.deutschlandfunk.de/rassismus-fussball-100.htm
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