Im Interview: Lamya Kaddor zu Prävention, Krieg in Nahost und Lieblingsbotschaften des Islam

Wat sachste? Lamya Kaddor – Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin

Für unsere aktuelle Folge von „Wat sachste?“ haben wir Lamya Kaddor in Duisburg besucht. Sie ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin sowie ehemalige Lehrerin und publiziert zu Themen wie muslimischer Identität und religiöser Radikalisierung. Seit 2021 ist sie Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin für Bündnis 90/Die Grünen. Für das Video haben wir sie mit gängigen islamistischen Parolen konfrontiert und sie spontan dazu Stellung nehmen lassen. Ihre Antworten stehen für eine progressive Lesart des Islam und zeigen eine Möglichkeit auf, wie man solchen Aussagen begegnen kann.

Die Meinungsfreiheit als Deckmantel zur Legitimation von Islamhass? Eine von Staat und Medien verfolgte Agenda zur Assimilation aller Muslim*innen in Deutschland? Diese und ähnliche Narrative finden sich immer wieder in Videos islamistischer Akteure auf Plattformen wie YouTube, TikTok oder Instagram. Aber auch in der analogen Welt ist man immer wieder mit derartigen Parolen konfrontiert.

Islamistische Parolen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein einseitiges und restriktives Islambild vermitteln, häufiger Menschengruppen als „Ungläubige“ diffamieren, eine klare Grenze zwischen Muslim*innen und Nichtmuslim*innen ziehen und die deutsche Gesellschaft als eine Bedrohung für die islamische Identität darstellen. Dabei erheben sie einen absoluten Wahrheitsanspruch. Bisweilen besteht Unsicherheit darüber, wie man sich hierzu positionieren und was man dem entgegnen kann.

Dieses Format bietet die Möglichkeit, sich kritisch mit islamistischem Gedankengut auseinanderzusetzen und hilft eine Unterscheidung zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politische Ideologie zu entwickeln. Es kann in verschiedenen Formaten der politischen Bildung eingesetzt werden, um eine Auseinandersetzung mit islamistischen Gedankengut zu fördern, um positive Perspektiven auf die Präsenz des Islam in Deutschland zu ermöglichen und um Personen darin zu stärken, gegen Islamismus Stellung zu beziehen und für demokratische Werte einzustehen. Darüber hinaus können diese Inhalte eine Grundlage für einen offenen Dialog über kontroverse Themen bilden und einen Beitrag zur Förderung eines reflektierten und pluralistischen gesellschaftlichen Diskurses leisten.

Durch die Auseinandersetzung mit rigiden und einseitigen islamistischen Parolen, kann Jugendlichen ein differenziertes Verständnis von Religion und eine Vieldeutigkeit von religionsbezogenen Positionen vermittelt werden. Progressive und liberale Ansichten, die eine Vereinbarkeit von Islam und Demokratie, Religionspraxis und gesellschaftlicher Teilhabe hervorheben, können Menschen dazu ermutigen, ihre eigenen Standpunkte zu reflektieren und positive Bezüge zu diesem Themenfeld zu entwickeln. Gleichzeitig bietet das gezeichnete pluralistische Islambild die Chance, antimuslimischen Rassismus entgegenzuwirken.

Das Video ist unsere Idee, Elemente des gängigen Formats der „Argumentationstrainings gegen rechte Parolen“ in die Islamismusprävention zu transferieren.

Die Integration dieses Formats in schulische und außerschulische Bildungskontexte kann ein Beitrag zur Prävention von antimuslimischen Rassismus und Islamismus leisten. Idealerweise kombiniert man dieses Format mit anderen Positionen zum Themenfeld, um die Vielfalt der Perspektiven darzustellen.

Das Gespräch führten Dr. Piotr Suder und Markus Lüke am 30. Oktober 2023.

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ oder des BAFzA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autorinnen und Autoren die Verantwortung.